Was Euch gehört
Eine Reise in die Vergangenheit
Autor: Roald HoffmannBesetzung: Damen 4 / Herren 3
Dauer: abendfüllend
UA: 14.09.2009 Universität Richmond, USA (Workshop und szenische Lesung)
DE: 27.09.14 Stadthalle Bayreuth
Ausstattung
Das Stück wechselt zwischen Philadelphia und Gribniv hin und her. Ort der Handlung in Philadelphia ein kleines Haus im Stadtteil Mt. Airy. Die Szenen spielen meistens in der Küche oder in Friedas Zimmer. Der Schauplatz in Gribniv ist ein nur schwach erhellter Dachboden. Der Dachboden und die Räume des Hauses in Philadelphia können in einem Bühnenbild kombiniert werden. Gegen Ende des Stücks kommt es zunehmend zu Vermischungen, d.h. die Personen der 1992er-Szenen erscheinen auf dem Dachboden und umgekehrt. Zum Schluß fließen beide Szenarien zusammen.
Der Spielverlauf erstreckt sich über drei Monate im Jahr 1992 in Philadelphia bzw. über ein Jahr, 1943, in Gribniv.
Besetzungsliste
1992, Philadelphia
- Frieda Pressner, 81 Jahre alt
- Emil Pressner, 55, Arzt, Friedas Sohn, bei dessen Familie Frieda lebt
- Tamar Meiblum, 49, Psychologin, Emils Frau
- Heather Pressner, 17, ihre Tochter
- Danny Pressner, 13, ihr Sohn
- Alla Olesko, 55, aus der Ukraine, Miroslav Oleskos Tochter
1943, Gribniv, Ukraine, im damals von den Deutschen besetzten Polen, heute West-Ukraine. Gribniv ist ein kleines Dorf ungefähr 35 km von der Stadt Strody entfernt, in der die Pressner-Familie vor dem zweiten Weltkrieg gelebt hatte.
- Frieda Pressner, 32 (gespielt von der älteren Frieda)
- Emil Pressner, 6 (gespielt von Danny Pressner)
- Miroslav Olesko, 48, ukrainischer Lehrer in dessen Haus sich die Pressners und Ernst
- Brandes (Onkel Erni, Friedas Bruder) versteckt halten.
- Olesko ist eine stumme Rolle, welche nur in einer Szene auftritt. Ernie muss nicht auf der Bühne erscheinen, ebenso wenig wie Friedas Mann Daniel Pressner, der 1943 ermordet wurde.
Ausführliche Synopsis
Im Mittelpunkt des Stückes stehen Frieda Pressner, eine 81 Jahre alte Jüdin, und ihr Sohn Emil. Das Stück spielt im Jahr 1992 in Philadelphia, wo Frieda bei ihrem erwachsenen Sohn Emil, dessen Frau und deren halbwüchsigen Kindern lebt. In Rückblenden wird vom Zweiten Weltkrieg erzählt, als sich Frieda und der damals fünfjährige Emil in einem ukrainischen Dorf auf dem Dachboden eines Hauses vor den Nazis versteckt hielt.
Wie viele Überlebende des Holocausts wollte Frieda nie über ihre traumatischen Erlebnisse während des Zweiten (wie auch des Ersten) Weltkriegs sprechen. Beim Gedanken an die Pogrome und den Verrat an den Juden in ihrer damaligen Heimat spricht sie von den Ukrainern als „Mörder“. Im gleichen Atemzug spricht sie aber auch über die „guten“ Ukrainer, die sie seinerzeit gerettet haben. Der (mittlerweile erwachsene) Emil gibt sich emotional unbeteiligt indem er behauptet, er habe nur noch wenige Erinnerungen an diese Zeit.
Die ständigen Fragen von Friedas Enkelin, in deren Schulklasse an einem Themenprojekt über den Holocaust gearbeitet wird, sowie der Überraschungsbesuch eines Mitglieds jener ukrainischen Familie, welche Frieda und Emil seinerzeit Unterschlupf gewährten, stören jedoch den fragilen Frieden in dieser amerikanischen Familie. In einer Flut qualvoller Erinnerungen tritt für Frieda und Emil der lange unterdrückte Schmerz wieder zutage. Doch neben dem Schmerz gibt es auch frohe Erinnerungen, z.B. an die starke Liebe zueinander, die Mutter und Sohn in jener Zeit auf dem Dachboden verspürten, sowie Erinnerungen an die Spiele, die beide dort miteinander gespielt haben. Endlich können sie diese Erinnerungen zulassen. Am Ende des Stücks steht ist die Frage, wie man den Teufelskreis von Hass und wechselseitiger Verleumdung überwinden kann, damals wie heute.
In 37 kurzen Szenen, die zwischen Philadelphia im Jahre 1992 und Gribniv, Ukraine, in den Jahren 1943-44 hin- und her-wechseln, erzählt „Ich habe etwas, das Ihnen gehört“ vom Überleben und Erinnern, von den komplexen ukrainisch-jüdische Beziehungen und von der Schwierigkeit des Vergebens. Die Sprache dieses teilweise autobiografischen Stücks ist poetisch, besonders in den Szenen zur Kriegszeit. Es gibt aber auch humorvolle, fast schon burleske Elemente. Grundthemen sind Trauerbewältigung, die Notwendigkeit des Sich-Erinnerns wie auch des Vergessens auf dem Weg zur Vergebung sowie die Entscheidungsfreiheit der Menschen zwischen Gut und Böse. Eine Entscheidungsfreiheit, die auch in furchtbaren Zeiten immer besteht.