Komödie / Sketche

Geralds Tod

Eine todernste Komödie in sieben Bildern und einem kurzen Nachspiel

Autor: Andreas Schäfer
Besetzung: Damen 10 / Herren 5
Dauer: 120–150 Min.
UA: In einer älteren Version am 17.07.2010 im Kubus in Nagold

Cantus Empfehlung: Mischform zwischen absurder Farce und grotesker Volkskomödie. Spielbar ab 16 Jahren.

Herr und Frau Hofbauer finden ihren eigenen Sohn derart unsympathisch, dass sie sich entschließen, ihn umzubringen. Frau Hofbauer plagen nach vollzogener Tat aber Gewissenbisse und sie bringt es nicht übers Herz, die Leiche aus dem Wohnzimmer zu räumen. So entwickeln sich groteske Szenen um Geralds Leiche, bei denen der Mord selbst vielfach in den Hintergrund tritt.

Besetzungsliste

  • Herr Hofbauer ist ein evangelischer Theologe mittleren Alters, der sich gewissenhaft um gute Gründe bemüht. Er weiß, was er will, solange er nicht gerade seiner alten Liebe (Frau Irene Frei) nachtrauert.
  • Frau Hofbauer, die Gattin Herrn Hofbauers und betuliche Mutter der Familie, plagen heftige Gewissenbisse, nachdem sie ihren Sohn Gerald getötet hat. Sie zeigt sich sehr besorgt in Anbetracht des sexsüchtigen Verhaltens ihrer älteren Tochter Charlotta und kümmert sich rührend um ihr jüngeres Töchterchen Beate.
  • Charlotta Hofbauer ist die älteste Tochter des Hauses, liebt guten Sex und fühlt sich empfindlich gestört, wenn sich in ihrem Leben etwas verändert, was über Jahre gleich war.
  • Gunther ist Charlottas Freund. Er ist außer am Sex auch noch an oberflächlichen Witzen sowie am Essen interessiert.
  • Beate Hofbauer ist wohl die jüngste Tochter des Hauses. Vielleicht ist sie auch nicht so jung, aber geistig behindert. Jedenfalls lässt sie sich mit Vorliebe schwierige Begriffe erklären, fühlt sich durch die Erwachsenen oft gelangweilt, spielt gerne mit ihrer Puppe und beweint anfänglich den Tod ihres Bruders Gerald sowie den Tod ihres gleichnamigen Goldfisches.
  • Gerald Hofbauer war sehr unsympathisch und wurde deshalb von seinen Eltern kurz vor seinem neunzehnten Geburtstag umgebracht. Seine Leiche liegt charakterlos im Raum.
  • Frau Frei, auch Irene genannt, ist Herr Hofbauers große Jugendliebe. Sie hält sich für eine gewitzte Philosophin, gefällt sich in ironischem Sarkasmus, verachtet jede Form der Religion, liebt Veränderungen, Ungewissheiten und das Gefühl der geistigen Freiheit.
  • Frau Fromm ist sehr wichtig und hat eine starke Neigung zur Esoterik. Sie erkennt in einem Sonnenuntergang ein großes Inneres und wird belebt durch Visionen und Nahtoderlebnisse. Im übrigen glaubt sie, dass Schwule und Pädophile in die Hölle kommen.
  • Großmutter ist die Mutter von Frau Hofbauer. Sie hat vor vielen Jahren nach einem schweren Schicksalsschlag aufgehört zu sprechen. Da sie dabei aber immer weniger beachtet wird, beginnt sie plötzlich wieder damit. Sie ist sehr garstig. Vor allem zeigt sie sich an ihren Zigaretten und an Onkel Roberts Arsch interessiert.
  • Onkel Robert ist der Bruder von Frau Hofbauer. Er möchte sich vor allem nicht langweilen. Seine Lebensphilosophie, alles nicht so ernst zu nehmen, gerät nur einmal ins Wanken, als ihm beim Spiel mit einer Modelleisenbahn ein Speisewagen entwendet wird. Ansonsten zeichnet er sich durch große Gelassenheit, oberflächliche Redeseligkeit und seine Liebe zum Spielen aus. Sein beachtliches Hinterteil wandert geradezu leitmotivisch durchs Stück.
  • Tante Josephine, die Gattin Roberts, hasst ihren Mann und zunehmend auch ihren popelnden Sohn Gerald. Sie leidet unter ihrer Ehe und bemüht sich um die Pflege guter verwandtschaftlicher Verhältnisse.
  • Der popelnde Gerald ist Onkel Roberts und Tante Josephine Sohn. Er ist geistig minderbemittelt und vor allem daran interessiert, seine Nase von lästigen Popeln zu befreien. Er spricht so wenig wie sein toter Vetter und Namensvetter.
  • Augustine ist die jüngere Schwester von Tante Josephine. Ihre eigene Jungfräulichkeit stört sie nicht. Meist ist sie um freundliche Worte und gute Verhältnisse bemüht, die Oberflächlichkeit Onkel Roberts kann sie jedoch nur schwer ertragen.
  • Madeleine, die ältere Schwester von Tante Josephine, hat ihre stürmische Jugendzeit lange hinter sich gelassen. Sie sieht sich inzwischen als moralische Instanz und kümmert sich vor allem um das Wesentliche, hin und wieder aber auch um bedeutsame Belange der Ästhetik.
  • Tante Mathilde ist die Cousine von Josephine, Madeleine und Augustine. Sie führt sehr gerne Gespräche auf hohem Niveau, wobei sie darum bemüht ist, möglichst gebildet zu wirken.
  • Der Inspektor ist als Repräsentant des Gesetzes vor allem an juristischen Fragen interessiert. Dabei wird ihm im Hause der Hofbauers ein unverhofftes Glück zuteil.
  • Schwester Valerie baut auf feste religiöse Grundsätze und empört sich schnell über jeden Ansatz unmoralischen Denkens und Verhaltens.
  • Schwester Maria liebt zwar ihren Glauben und versucht darin eine gewisse Reife zu erlangen, erliegt aber (vielleicht wegen ihrer Jugendlichkeit) hin und wieder auch irdischen Versuchungen.
  • Schwester Käthe war früher eine Hure. Es gelingt ihr, fast drei Jahre lang ein Schweigegelübde zu halten, das vermutlich irgendwie im Zusammenhang mit dem inzwischen verstorbenen Gerald steht.

5 Herren, 9 Damen und 1 kleines Mädchen (auch 10 Damen möglich, wenn Beate schon älter, aber geistig behindert ist, oder sogar 13 Damen, wenn die Nonnenszene gespielt wird),

Spielbar ab etwa 16 Jahren (auch jünger, wenn man die Sexszenen tilgt oder mildert). Das Stück lässt sich sehr leicht an die Möglichkeiten einer Truppe anpassen. (Etwa wie bei Bruckners Symphonien kann man in diesem Stück ohne größere Schwierigkeiten kürzen, Teile umstellen, neue Teile einfügen.) Der Autor hat übrigens bereits eine kurze Sketchversion des ersten Aktes mit reduzierter Rollenzahl erstellt, die im Rahmen einer Kindermusikwoche im Kloster Neustift bei Brixen uraufgeführt wurde … Die schauspielerischen Anforderungen sind nicht zu hoch, da keine komplexen Charaktere, sondern lediglich absurde Typen darzustellen sind … Aufgrund seiner vielen Sprachwitze dürfte ‚Geralds Tod’ allerdings noch schwerer in andere Sprachen übersetzbar sein als etwa Lewis Carroll.

Ausführlich Synopsis

Herr und Frau Hofbauer – ein Theologe und seine treusorgende Gattin – finden ihren eigenen Sohn Gerald derart unsympathisch, dass sie ihn nach Abwägen guter Gründe hinterrücks mit einem Brotmesser töten. Nach der Tat plagen Frau Hofbauer jedoch Gewissenbisse und sie kann sich nicht entschließen, die Leiche ihres Sohnes aus dem Wohnzimmer zu räumen. Um Geralds Leiche entwickeln sich nun groteske Szenen, in denen die Sprache den Menschen mehr zu beherrschen scheint als umgekehrt der Mensch die Sprache. Dabei degenerieren die Begegnungen mit Gerald, dessen Tod und Leiche in den sieben Akten des Stückes immer wieder zur Nebenhandlung.
Geralds Tod ist eine innovative Mischform aus Komödie und absurder Farce in 7 Akten und einem kurzen Nachspiel. Die ungeradzahligen Akte spielen auf der Hauptbühne im Wohnzimmer der Familie Hofbauer, die geradzahligen Akte spielen außerhalb des Hauses. Zentral sind für den Aufbau des Stückes weder Handlungen, noch Personenentwicklungen. Im Gegenteil: Die Personen dürfen sich nicht entwickeln, da sie Marionetten ihrer eingefrorenen Sprachformen sind, und auch jede Handlung muss – als das Produkt ihrer hohlen Träger – stehen bleiben. Stattdessen entwickelt sich das Stück entlang einer Dreieinigkeit von Leitmotiven: Tod, Religion und Sexualität. Inhaltlich verbunden werden die sieben Akte durch einen gemeinsamen Strang: Das vielfältig unangemessene Verhalten in Anbetracht des katastrophalen Kindsmordes.

Pressestimmen

Schräg, fies und bei aller Tragik saukomisch verspricht das neue Theaterstück des Nagolder Autors und Regisseurs Andreas Schäfer zu werden.
Ungewöhnlich ist schon der Einstieg. Ein Ehepaar – er Theologe, sie brave Gattin – findet den eigenen Sohn so unsympathisch, dass es ihn kurzerhand um die Ecke bringt. Das Oberstufen-Theater-Ensemble des OHG zeigt es im Kubus am Samstag, Sonntag und Montag, 17., 18. und 19. Juli, jeweils um 19 Uhr.
Die Missverständnisse, absurden Reaktionen und Gespräche um Geralds Leiche mitten in der Stube offenbaren die häufige menschliche Unzulänglichkeit im Umgang mit schrecklichen Ereignissen.
In sieben grotesken Akten wirft OHG-Lehrer und Autor Andreas Schäfer die Fragen nach Spiel und Ernst des Lebens auf, nach Religion, Tod und Sexualität sowie nach der Bedeutung all dessen. Was an Kafkas Strafkolonie erinnert, ist beabsichtigt, denn auch hier geht es um die Betroffenheit des Menschen und seines Menschseins im Angesicht der Katastrophe.
Schwarzwälder-Bote, 14.07.2010


Insgesamt ein von groteskem, geradezu schrillem Wortwitz und von einem hervorragendem Ensemble getragenes Stück, das die Zuschauer (hier und da wohl auch zum Nachdenken) ansteckte und das in der großartigen Gesamtleistung aller nach einem Rap im Showdown reichlichen Beifall einheimsen durfte.
Schwarzwälder-Bote, 21.07.2010

CANTUS Kommentar

In kaum einem anderen dramatischen Werk wird (bei allem Humor und Sprachwitz) in ähnlich deutlicher Weise das erschreckende menschliche Schicksal der radikalen Sprachabhängigkeit greifbar: Wir sehen Menschen, die, obwohl sie sich frei wähnen, offenbar nicht Herr ihrer Sprache sind. Vielmehr erscheint der Mensch umgekehrt als Sklave seiner enthöhlten Sprachgewohnheiten.

Für Linguisten und Literaturwissenschaftler dürfte das Werk dabei eine einzige Fundgrube sein: die bis ins Absurde gesteigerte Leitmotivtechnik bestimmt dabei ebenso den Aufbau des Stückes, wie die verschiedensten Formen des kommunikativen Misslingens und schließlich zahlreiche literarische Anspielungen, wie etwa völlig grotesk eingesetzte Kafkazitate.

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